Jawid ist 20 Jahre alt, er ist vor drei Jahren nach Österreich gekommen und hat hier einen Asylantrag gestellt. Nachdem er einige Monate in Traiskirchen verbracht hat, ist er in eine UMF-Einrichtung gekommen. Dort konnte er nach einigen Monaten Wartezeit einen Deutschkurs besuchen. Seine Deutschkenntnisse hat er darüber hinaus selbst verbessert, Youtube-Videos zum Spracherwerb haben ihm geholfen.
In seiner Heimat hat er von seiner Mutter, die als Köchin gearbeitet hat, das Kochen gelernt. Seine Heimat? Bevor er nach Österreich gekommen ist, war das der Iran, nicht Afghanistan – das Land dessen Staatsbürgerschaft er besitzt.
Seine Familie ist in den Iran geflüchtet als er noch ein Baby war, er selbst war noch nie bewusst in Afghanistan.
Jawid hat in Österreich einen Asylantrag gestellt und einen negativen Bescheid erhalten. Er hat dagegen eine Beschwerde eingelegt und vor Kurzem die Information bekommen, dass auch seine Beschwerde abgewiesen worden ist. Nachdem er volljährig war, musste er die Unterkunft verlassen. Er hatte das Glück, dass von einer Kirche ein Raum zur Verfügung gestellt wurde, den er sich mit den geringen Mitteln aus der Grundversorgung leisten konnte.
Er würde gerne auch in Österreich als Koch arbeiten, aber der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für ihn nur sehr schwer möglich. Einen Arbeitgeber zu finden, der sich trotz seiner geringen Deutschkenntnisse für ihn einsetzt, ist schwierig.
Jawid hat Angst. Er weiß, dass viele Menschen nach Afghanistan abgeschoben werden – auch wenn sie dort nie gelebt haben. Er hat keinen Kontakt mehr zu seiner Familie und auch sonst keine Möglichkeiten, wie er sich in Afghanistan zurechtfinden soll.Außerdem will Jawid in Österreich bleiben, er hat hier Freunde und seit kurzem auch eine Freundin. Sie will ihm auch helfen, aber das ist schwierig.
Frau A. konnte durch ihre Flucht nach Österreich fortgesetzter sexueller Gewalt entkommen. Sie ist afghanische Staatsbürgerin. Als sie selbst noch Jugendliche war, hat ihr Vater, der spielsüchtig war, sie mehrfach an andere Männer verkauft, um seine Spielschulden bezahlen zu können. Frau A. wurde von ihrem Onkel, der ihre Situation wahrnahm, immer wieder zurückgekauft, dennoch sind ihre Traumatisierungen dieser Zeit aus ihrem Gedächtnis nicht mehr zu löschen.
Ihre Familie zählt innerhalb Afghanistans zu einer Minderheit, sie gehören der Volksgruppe der Usbeken an und sind sunnitische Muslime. Ihr Vater und ihre Onkel wurden in Afghanistan umgebracht.
Frau A. flüchtete als Jugendliche aus Afghanistan zunächst in den Iran, wo sie heiratete und drei Kinder bekam. Nachdem ihr Ehemann verstarb, wollte ein Freund ihres Mannes sie zur Frau nehmen, Frau A. war jedoch dagegen. Dieser Mann konnte ihre Entscheidung nicht akzeptieren, er vergewaltigte und bedrohte sie.
Frau A. entschied sich dazu, gemeinsam mit ihren Kindern nach Europa zu fliehen. Aktuell leben sie in Österreich, wo sie auch einen Asylantrag gestellt hat. Frau A. und ihren Kindern wurde der Status als Subsidiär Schutzberechtigte zuerkannt, ihre Lebensgeschichte weist aus Sicht der österreichischen Behörden keine Asylgründe auf. Der subsidiäre Schutz ist auf ein Jahr begrenzt.Die Kinder von Frau A. sind im Iran aufgewachsen, wo sie damit umgehen mussten, dass afghanische Staatsbürger wenige Rechte haben. Sie haben ihren Vater verloren und haben gemeinsam mit ihrer Mutter eine gefährliche Flucht nach Europa hinter sich. Hier können sie zur Schule gehen und haben ein Zuhause gefunden.
Frau A. lebt heute als westlich orientierte, alleinerziehende Mutter in Österreich. In Afghanistan würde dieser Lebensstil zur Bedrohung für sie und die Kinder werden.
Als Amnesty-International-MitarbeiterInnen den 32-jährigen Farid Ende Mai 2017 treffen, ist er gerade in Kabul angekommen. Er ist das erste Mal in der Stadt und verwirrt und verängstigt. Den MitarbeiterInnen sagt er: »Ich komme mir wie ein Außerirdischer vor. Ich kann nicht glauben, dass ich hier bin.«
Als Farid noch ein Kind war, floh seine Familie aus Afghanistan in den Iran, wo Farid aufwuchs. Als junger Erwachsener verließ Farid den Iran und ging nach Norwegen. Dort konvertierte er zum Christentum. Er sprach sehr herzlich von seiner Zeit in Norwegen und zeigte den Amnesty-MitarbeiterInnen das Video seiner Taufe. Er sagt: »In Europa gibt es Menschlichkeit – für die Leute dort spielt es keine Rolle, welche Religion du hast.« Nach neun Jahren in Norwegen, während der er die Sprache lernte und norwegische FreundInnen fand, wurde Farids Asylantrag abgelehnt.
Er sagt, die Behörden hätten ihm gesagt, dass er in Kabul sicher sei, und so wurde er im Mai 2017 nach Kabul abgeschoben. Sein Übertritt zum Christentum hat ihn von seiner engsten Familie, die weiterhin im Iran lebt, entfremdet. Farid sagt: »Ich habe Angst. Ich weiß nichts über Afghanistan. Wo soll ich denn hingehen? Weder habe ich Geld, um alleine zu leben, noch kann ich bei Verwandten unterkommen. Sie würden sofort merken, dass ich nicht bete.«
Außerdem kann er in die Provinz, aus der er ursprünglich stammt, nicht zurück. Vor zehn Jahren hatte er noch versucht, nach Afghanistan zurückzukehren. Damals hatte ihn jedoch ein Feind der Familie angegriffen. Amnesty-MitarbeiterInnen zeigte er ein Dutzend tiefer Narben an seinen Beinen, Armen und am Oberkörper. Seine ethnische Zugehörigkeit zur Gruppe der Hazara gefährdet ihn zusätzlich. In Afghanistan sind laut UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) KonvertitInnen vom Islam, ChristInnen, in Blutfehden verwickelte Personen und Hazara der Gefahr von Verfolgung ausgesetzt.
„Mein Name ist Faramarz, und ich wohne mit meiner Familie seit zweieinhalb Jahren in Österreich. Ich bin in Afghanistan geboren, aber im Iran aufgewachsen. Da habe ich ungefähr 16 Jahre mit meiner Schwester und mit meinem Bruder gelebt und wir sind dort auch in die Schule gegangen.
Die Regierung im Iran hat uns gezwungen, nach Afghanistan zurück zu gehen und in Afghanistan mussten wir für die Taliban kämpfen. Das wollten wir aber nicht, daher bin ich mit meinem Vater, meiner Mutter, die damals schwanger war, und meinen Geschwistern nach Europa geflüchtet.
Unsere Fluchtroute führte uns über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich. Es war wirklich eine lange und schwierige Route, das können Sie mir glauben.
Das schwierigste auf der Flucht war für mich meine Mutter zu sehen, die als schwangere Frau zu Fuß die Berge überqueren musste. Wir konnten nur in der Nacht gehen. Wir gingen oft 12 Stunden lang.
In Österreich zu leben ist für mich eine Mischung aus guten und schlechten Erinnerungen, mein Vater ist hier gestorben und meine kleine Schwester ist hier geboren.
Derzeit besuche ich die 2. Klasse der Handelsakademie in Perg. Für mich ist schön, dass ich hier Ruhe und Sicherheit habe. Leute, die uns respektieren, meine Freunde, die mir immer helfen und mich unterstützen.
Für uns ist schwierig, dass wir noch immer keinen positiven Asylbescheid haben. Wir hatten unser Interview schon, aber wir haben noch keinen Bescheid. Die Ungewissheit ist ein großes Problem für uns. Manchmal spüre ich, dass die Regierung in Österreich uns vielleicht hier nicht haben will. Dann habe ich große Angst.
Ich kenne viele Asylwerberinnen und Asylwerber, die einen negativen Bescheid bekommen haben. Sie haben große Angst, dass sie abgeschoben werden und wieder zurück müssen, obwohl sie gut Deutsch sprechen und integriert sind.
Meiner Meinung nach haben wir nur eine Mutter Erde und ich möchte in einem friedlichen Teil unserer Erde leben.“
Nur wenige Tage nach seiner Abschiebung aus den Niederlanden haben Amnesty-International-MitarbeiterInnen den 23-jährigen Azad im Mai 2017 in Kabul getroffen. Azad ist homosexuell und ein naher Verwandter von ihm arbeitet für die internationalen Streitkräfte im Land. Laut UNHCR sind dies beides Kriterien, die das Verfolgungsrisiko für AfghanInnen erhöhen. Azad gibt an, er und seine Familie seien nach der Ermordung seines Vaters durch die Taliban in den frühen 2000er Jahren aus Afghanistan in den Iran geflohen. Seitdem, erzählt er, stehe sein Leben Kopf.
Aufgewachsen ist er im Iran, wo seine Familie aber nie einen Aufenthaltstitel erhielt, sodass die Kinder nicht zur Schule gehen konnten. Aus Verzweiflung entschieden seine Mutter, sein Bruder und er 2011 daher, die Reise nach Europa zu wagen. Azad erzählt, seine Mutter sei bei der Überfahrt aus der Türkei nach Griechenland gestorben. Er weint, als er sagt: »Ich will nur das Grab meiner Mutter besuchen.«Azad und sein jüngerer Bruder erreichen schließlich die Niederlande, wo sie für etwa sechs Jahre leben. Aus ungeklärten Gründen wird der Asylantrag seines Bruders angenommen, Azads jedoch nicht. Azad berichtet, wie er aus Angst vor der Abschiebung versuchte, sich mit Scherben die Kehle durchzuschneiden. Als er feststellte, dass das Glas nicht scharf genug war, versuchte er, es zu schlucken. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich in Abschiebhaft und niederländische BeamtInnen stoppten ihn. Den Amnesty-MitarbeiterInnen zeigt Azad die Narbe auf der rechten Seite seines Halses sowie die Wunden in seinem Mund.
Im Mai 2017 wurde er nach Afghanistan abgeschoben. Er beschreibt seine Bemühungen, seine sexuelle Neigung zu verbergen, so: »Ich versuche hier ein Mann zu sein. Ich werde langsam verrückt. Nachts habe ich oft Angst, ich bin richtig panisch.«
F. ist 27 Jahre alt, vor drei Jahren nach Österreich gekommen und hat hier seinen Asylantrag gestellt. Im Herbst 2015 ist er nach Parndorf, in ein Privatquartier, in dem fast ausschließlich afghanische Staatsbürger untergebracht sind, gekommen.
In Parndorf hat es ab Jänner 2016 die Möglichkeit gegeben, jeden Samstag mit Freiwilligen aus dem Ort Deutsch zu lernen. Von diesem Angebot hat er fast immer Gebrauch gemacht. Einige Zeit später hat er auch an einem von der VHS abgehaltenen Deutschkurs teilgenommen.
In seiner Heimat, in Afghanistan ist F. verheiratet und Vater zweier Kinder. Seine zweite Tochter hat er noch nicht gesehen – sie wurde erst nach seiner Flucht geboren.F. hat letzten Herbst in zweiter Instanz (BVwG) einen negativen Bescheid erhalten und nun große Angst davor, nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Er ist gemeinsam mit seinem Bruder von einem Tag auf den anderen geflüchtet, nachdem auf ihn und seinen Bruder auf dem Weg von der Arbeit nach Hause – vermutlich von Taliban – geschossen wurde. Dem ist vorausgegangen, dass sein Großvater, das Oberhaupt der Familie, mehrfach Drohbriefe der Taliban bekommen hat, in denen er aufgefordert wurde, die Taliban finanziell und materiell (mit Grundstücken) zu unterstützen.
Nachdem auf ihn und seinen Bruder geschossen worden ist, konnte F. noch seine damals schwangere Frau und seine Tochter zu seinem Schwiegervater bringen. Sein Bruder ist in die Türkei geflüchtet.
Um nach dem zweitinstanzlichen Urteil einer Abschiebung zuvorzukommen ist er in Frankreich untergetaucht. Nach einiger Zeit wurde er von der französischen Polizei kontrolliert.F. war immer sehr hilfsbereit. Er möchte in Österreich bleiben und hier arbeiten. Er steht vor der Abschiebung nach Österreich.
Frau L. ist eine junge erwachsene Frau aus Afghanistan, die im Iran geboren und aufgewachsen ist. In ihren jungen Jahren wird sie im Iran zwangsverheiratet, weigert sich und wird Opfer unterschiedlicher Formen von Gewalt.
Im Herbst 2015 reist Frau L. gemeinsam mit ihrer Familie in Österreich ein und stellt einen Asylantrag. Bald wird Frau L. nach weiteren Gewaltvorfällen fremduntergebracht.
Aufgrund der vielen Traumata und Gewalterfahrungen braucht sie viel Unterstützung und Stabilisierung und ist längere Zeit in stationärer Behandlung im Krankenhaus. Durch professionelle Zusammenarbeit stabilisiert sich Frau L. immer mehr. Trotz der vielen traumatischen Erlebnisse ist Frau L. sehr motiviert, die Sprache zu erlernen und besucht mit großem Erfolg D-Kurse, die Basisbildung, und arbeitet sehr motiviert daran, den Pflichtschulabschluss positiv abzuschließen.
2018 bekommt sie einen positiven Asylbescheid.Ihr großes Ziel nach dem Pflichtschulabschluss ist es, selbständig zu sein. Eine Wohnung und eine Lehre im kaufmännischen Bereich zu finden und diese zu absolvieren und ihr Leben selbstbestimmt als junge Frau leben zu können.
Frau L. hat durch ihren positiven Asylbescheid die Möglichkeit, eine Zukunft und ein sicheres Leben in Österreich aufzubauen. Laut Frau L. ist eine Abschiebung nach Afghanistan sehr gefährlich, da die Menschen dort keine Zukunft haben und nicht in Sicherheit leben können, weshalb es wichtig wäre, dass auch alle anderen Flüchtlinge aus Afghanistan Schutz in Österreich bekommen würden.
Noor kam 2015 als schulpflichtiger junger Mann aus Afghanistan nach Österreich. Da er glücklicherweise aus seiner Heimat gute Schulkenntnisse mitnehmen konnte, war die polytechnische Schule für ihn nicht sonderlich schwierig. Innerhalb von nur einem Jahr konnte er seine Deutschkenntnisse auf Level B1 aufbauen. Nach der polytechnischen Schule wurde er in die Handelsschule zuerst als außerordentlicher, später als ordentlicher Schüler in eine Regelklasse aufgenommen. Diese hat er aber auf eigenen Wunsch abgebrochen, da er seit Oktober 2017 eine Lehre für Elektrotechnik in einem kleinen Familienbetrieb machen kann, wo er sich sehr wohl fühlt.
Noor ist stolz, nicht mehr auf „Sozialgeld“ angewiesen zu sein. Er wünscht sich nichts mehr, als endlich seinen Bescheid zu bekommen. Die ständige Angst, abgeschoben zu werden in ein Land, dass er noch nie bewusst gesehen hat, ist groß.
Seine Familie ist von Afghanistan nach Pakistan geflüchtet, als Noor noch ein kleines Baby war. Nach nur 5 Jahren Grundschule musste Noor bereits arbeiten gehen, damit seine Familie überleben kann. Er hat mit seinem Vater illegal im Iran gearbeitet und musste dort in ständiger Angst leben, erwischt zu werden. Als 14 Jähriger begab er sich ohne Begleitung auf den gefährlichen und langen Weg nach Europa, um hier ein besseres Leben führen zu können und seine Familie zu unterstützen.
Um sich abzulenken, macht Noor in seiner Freizeit viel Musik und spielt sehr gerne Fußball. Sein Traum ist es, ein berühmter Sänger zu werden. In seiner Heimat war es ihm nicht erlaubt, westliche Musik zu singen. Hier kann er frei sein und sich kleiden wie er will.Aktuell befindet sich Noor in der Berufsschule und freut sich, neue Bekanntschaften zu machen und Neues zu lernen.